Zwickauer Ex-Landrat trifft Schüler des Max-Planck-Gymnasiums in Groß-Umstadt
Darmstadt-Dieburg – Die Schülerinnen und Schüler des Geschichte-Leistungskurses im Abiturjahrgang des Max-Planck-Gymnasiums waren bestens vorbereitet, als sie sich vergangenen Freitag (25.) zum „Zeitzeugengespräch“ mit Christian Otto trafen. Sie stellten unter Beweis, dass der persönliche Kontakt zu Menschen, die die DDR und die Friedliche Revolution hautnah miterlebt haben, dem Stoff aus dem Geschichtsbuch eine tiefere, fühlbare Dimension verleiht.
Christian Otto ist schon lange ein guter Freund des Landkreises Darmstadt-Dieburg und kam auf Einladung von Landrat Klaus Peter Schellhaas. Von 1990 bis 2008 war Otto Landrat des Partner-Landkreises Zwickau, der seit 1994 Landkreis Zwickauer Land heißt. Herzensanliegen von Christian Otto ist es, dass junge Menschen wissen, wie das System Deutsche Demokratische Republik funktionieren konnte und wie die Friedliche Revolution die Mauer zwischen den beiden deutschen Staaten 1989 zu Fall brachte. Bei Bärbel Hille, die die Geschäftsstelle des Darmstadt-Dieburger Partnerschaftsvereins führt, fand er mit seinem Anliegen genau die richtige Ansprechpartnerin. Sie stellte den Kontakt zu Niclas Jaehnig her, überzeugter Geschichtslehrer und Mitglied der Schulleitung des Max-Planck-Gymnasiums.
Die elf Schülerinnen und Schüler lauschten konzentriert, als Christian Otto die Geschichte der DDR in groben Zügen anschaulich machte. Er sprach von Reparationszahlungen an die UdSSR, davon, dass es keinen Marshallplan gab wie in der Bundesrepublik, er sprach von der Gründung der zwei Staaten im Jahr 1949, ging auf die DDR-Mark ein, die er „Alu-Chips“ nennt, auf Versorgungslücken, auf Wahlen, die manipuliert waren. Er schilderte den Volksaufstand in der DDR von 1953, erwähnte die Aufstände in anderen Ostblock-Ländern. Dass Menschen scharenweise die DDR verließen, darunter Hochqualifizierte und Fachleute, zeigte er als Ursache für den Bau der Mauer 1961 auf. Otto berichtete von Selbstschussanlagen, von Fluchtversuchen vieler Menschen, von denen es manche in den Westen schafften und viele ihr Leben verloren. Mit Gorbatschow, so Otto, änderte sich in den 1980er Jahren das politische Klima. Unvergessen sei, wie im Sommer 1989 zahlreiche DDR-Bürger Zuflucht in der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in der Tschechischen Republik suchten und der damalige Außenminister Hans Dietrich Genscher ihnen die Einreise in die BRD genehmigte. Darauf folgte am 9. November 1989 die Ankündigung Günter Schabowskis, Mitglied im Zentralkomitee der DDR, dass ein neues Gesetz Reisefreiheit bringen sollte. Auf die Frage eines Journalisten, „ab wann?“ lautete die Antwort „ab sofort“. Prompt wurde in Berlin, am Grenzübergang Bornholmer Straße die Schranke geöffnet und damit die Wiedervereinigung eingeleitet.
Auf die Frage des Schülers Elmar Wachsmann, was die Treuhand nach der Wende hätte besser machen können, erläuterte Christian Otto, „Alles musste schnell gehen, es gab keine Zeit“. Zu Experimentieren sei nicht möglich gewesen, „vieles ist falsch gelaufen“, so Otto. Ein Problem sei auch gewesen, dass die wirtschaftliche Situation der DDR erheblich schlechter war als angenommen. „Was war gut an der DDR?“, wollte Alea Fengel wissen. Es habe keine Ellenbogenmentalität gegeben und es musste nicht jeder das Beste und Schönste haben, außerdem habe jeder ehrlich gearbeitet und viel geleistet. Noah Klotz wollte wissen, ob Christian Otto selbst Erfahrung mit der Stasi gehabt habe. „Wir wussten, es gibt Spitzel unter den Kollegen, aber wir wussten nicht wer“. Zu tun hatte er mit Stasi-Mitarbeitern erst, als er die Stasi in seinem Landkreis auflösen musste. Jonas Schliebs fragte: „Haben Sie selbst daran gedacht, zu fliehen, und wie haben Sie in der DDR gewählt?“. Der 70-jährige Ex-Landrat beschrieb, dass er irgendwann gewusst habe, dass das System fallen würde, deshalb sei er geblieben. Nie habe er sich mit der DDR identifiziert. Zur Wahl hätten ja auch die Blockparteien gestanden und bei der letzten Wahl habe er ungültig gewählt und seinen Stimmzettel durchgestrichen.
Lehrer Niclas Jaehnig betonte zum Abschluss der besonderen Geschichtsstunde, wie wichtig Dialog und Austausch seien. Ex-Landrat Otto wies auf das Jahr der Freundschaft hin, das seine Heimatgemeinde Kirchberg 2020 begehe. Dazu lud er Schülerinnen, Schüler und Lehrer ein und auch Kirchbergs Partnerstadt Groß-Umstadt, die in der Runde durch Stadtrat Richard Fikar vertreten wurde.
Am Nachmittag fand ein weiterer Besuch am Schuldorf Bergstraße in Seeheim-Jugenheim statt. Die Schülerinnen und Schüler beschäftigen sich in der Jahrgangsstufe Q3 besonders intensiv mit dem Thema „Von der deutschen Teilung bis zur Einheit“. Für den Leistungskurs war es ebenfalls von sehr großem Wert, mit Christian Otto als Zeitzeugen ins Gespräch zu kommen.
Bericht & Foto ladadi