Es ist Mittwoch, der 16. Oktober, erste große Pause am MPG. Langsam füllt sich die Aula mit Sechstklässlern. Einige von ihnen haben ein Buch in der Hand und marschieren damit zielstrebig zum Podest, das vorne aufgebaut ist. Hier sitzt Antje Herden, die Darmstädter Autorin erfolgreicher Kinder- und Jugendromane. Ihr Werk „Letzten Mittwoch habe ich die Zukunft befreit“, aus dem sie gleich vorlesen wird, wollen sich die Schülerinnen und Schüler signieren lassen.
Antje Herden ist aber nicht nur eine preisgekrönte Autorin, sie kann auch toll vorlesen. Doch wie klingt ‚gutes Vorlesen’? Mit dieser Frage beschäftigen sich zurzeit bundesweit alle Schülerinnen und Schüler, die eine sechste Klasse besuchen. Für sie steht der Vorlese-Wettbewerb an: In jeder Klasse werden die zwei besten Vorleserinnen bzw. Vorleser ermittelt, Ende November treten sie gegen die Besten der anderen Klassen ihrer Schule an, dann treten die Schulsieger gegen andere Schulsieger auf Kreisebene an, dann auf Landesebene und schließlich auf Bundesebene.
„Gutes Vorlesen ist eben, wenn sich keiner langweilt“, auf diese kurze Formel bringt es Rufus Beck, einer, der es wissen muss, denn er hat schon jede Menge Hörbücher eingelesen. Auch bei Antje Herden langweilt sich niemand! Mit schauspielerischem Talent und einem sicheren Gespür für ihr Publikum liest die Autorin lustige Passagen aus den ersten Kapiteln ihres Romans und bringt damit ihre Zuhörerinnen und Zuhörer zum Lachen, aber auch zum gespannten Hinhören: Die drei Freunde Kurt, Sandro und Tilda haben eigentlich keine Lust mehr, Weltretter zu sein. Das haben sie schon zweimal getan. Nun sind sie gerade von ihrem letzten Abenteuer in den Sommerferien zurückgekehrt, die Schule hat wieder begonnen. Doch es liegt etwas in der Luft. Wissenschaftler sprechen von atmosphärischen Störungen, aber die drei Freunde können das nicht so recht glauben. Als plötzlich ein seltsam gekleideter Herr Sandros Handy und Kurts Brille klaut, wissen sie, das nächste Abenteuer bahnt sich an. Sie forschen in einem alten Haus nach dem Dieb und entdecken einen seltsamen Apparat, den sie besteigen, um ihn näher zu inspizieren. Das hätten sie vielleicht nicht tun sollen, denn mit einem Mal befinden sie sich nackt in einem stinkigen Elendsviertel Londons im Jahr 1895. Was ihnen dort passiert, das müssen die Schülerinnen und Schüler schon selbst nachlesen.
Mit der Autorin entspinnt sich dagegen eine intensive Diskussion über die unterschiedlichen Arten von Zeitmaschinen. Die Ausführung, die Tilda, Kurt und Sandro bestiegen haben, versetzt die Freunde in eine frühere Zeit, ohne dass sie irgendetwas von sich mitnehmen können. Die drei kommen also völlig nackt im 19. Jahrhundert an. Nun überlegen die Schülerinnen und Schüler, ob denn auch eine Zahnspange zurückbliebe oder der Nagel, der den gebrochenen Knochen zusammenhält. Was ist mit Tatoos oder mit Wunden? Was passiert, wenn jemand auf der Zeitreise stirbt? All diese Überlegungen zeigen, dass Antje Herden mit ihrem Roman das Interesse der Zuhörerinnen und Zuhörer geweckt hat. Doch sie hat ja auch noch ein Quiz angekündigt, das für „Applaus und Gejubel“ sorgen soll, was man im Leben immer seltener bekomme, je älter man werde, so die Autorin. Hier nun zeigt sich, wie gut das Publikum zugehört hat. „Applaus und Gejubel!“, ruft die Autorin bei jeder richtig beantworteten Frage und alle freuen sich, applaudieren und jubeln. Die Gewinner bekommen kleine Anstecknadeln und Kaubonbons. Am Ende sind sich alle einig, dass diese zwei Schulstunden ebenso unterhaltsam wie lehrreich waren, hatte die Autorin doch gezeigt, wie ‚gutes Vorlesen‘ klingt. Der Dank aller gilt deshalb auch der Sparkasse Dieburg und dem Förderverein des Max-Planck-Gymnasiums, die gemeinsam diese Veranstaltung gesponsert haben. Applaus und Gejubel!
Text: E. Waldmann, Foto: Rüdiger Wenig