Eine Rezension von Mouna Mouami
„The Hate U Give Little Infants Fucks Everyone“ – Es mag vielleicht schon mehr als zwanzig Jahre her sein, dass der Rapper Tupac Shakur mit diesem Spruch auf die Problem Ganggewalt und Drogenhandel der schwarzen Bevölkerung Amerikas Aufmerksamkeit gemacht hat, doch scheint der Spruch auch heute aktueller denn je. “The Hate U Give”, übersetzt so viel, wie „Der Hass, den du gibst“, ist der Titel des 2017 erschienenen Jugendromans der aufstrebenden Autorin Angie Thomas. Das Werk behandelt ein topaktuelles Thema, dass in Amerika immer wieder für Kontroverse sorgt: Polizeigewalt gegen Afro-Amerikaner. Zugänglichgemacht wird das komplexe Thema durch die Sicht eines 17-jährigen betroffenen Mädchens.
Starr Carter, 16 Jahre und dunkelhäutig, gilt wohl nicht als Status quo an der fast ausschließlich von Weißen besuchten Privatschule Williamson High School. Im Gegensatz zu ihren Mitschülern kommt Starr nämlich aus dem „Ghetto“ Garden Heights. Dort lebt sie nicht etwa, da ihre Familie sich nichts anderes leisten könnte, sondern weil ihr Vater an seinen Wurzeln festhalten möchte. In der Hoffnung auf eine bessere Zukunft schickte Starrs Mutter ihre Kinder auf die schicke Privatschule. Kein Wunder also, das Starr sich dort nicht immer wohlfühlt. Sie ertapp sich selbst immer wieder beim sogenannten „Code-Switching“: In der Schule möchte sie nicht als „die Assige aus dem Ghetto“ abgestempelt werden und in ihrem Viertel nicht als „die Verwöhnte aus der Privatschule“. Um nicht ausgeschlossen zu werden, passt Starr folglich ihr Verhalten andauernd ihrem Umfeld an. Ihr Plan geht so weit auf, bis ihr bester Freund bei einer eigentlich harmlosen Polizeikontrolle von einem Polizisten erschossen wird. Durch den folgenden Medienrummel stellt sich Starrs Welt auf den Kopf. Nun muss sie sich entscheiden: Steht sie öffentlich für ihren Freund ein oder bleibt sie still und nimmt den ungerechten Tod ihres Freundes hin?
Angie Thomas gelingt es nicht nur mit einer packenden aktuellen Problematik, sondern auch mit einem authentischen Schreibstil die Leser zu fesseln. Die Sprache der Charaktere ist gekennzeichnet durch eine Mischung aus Slang und einfacher, parataktischer Alltagssprache. Aufgrund der gehäuften Nutzung von amerikanischem Slang empfiehlt es sich also durchaus, den Roman in der Originalsprache zu lesen.
Die junge Leserschaft wird zudem durch die Thematisierung üblicher Probleme des Erwachsenwerdens angesprochen. Mit den Themen erste Liebe, Freundschaften, Familie und Streit, sowie Zukunftsängsten, wird sich wohl jeder junge Erwachsene identifizieren können.
Da der Auslöser für den Konflikt, der Tod ihres Freundes, sich schon zu Beginn des Romans ereignet, sollte man jedoch nicht weitere schockierende Wendepunkte in der Handlung erwarten. Das Augenmerk von Angie Thomas liegt vielmehr darin, die Probleme, die Starr während des Aufwachsens hat für den Leser verständlich zu machen. Thomas gibt einen Einblick in die Welt eines jungen Menschen, dessen Leben sich in gewissermaßen auf der Schwelle zweier Parallelgesellschaften abspielt.
Sprachlich und spannungstechnisch wird es also nicht das beste Buch sein, das du gelesen hast. Wer auf ausführliche Beschreibungen der Innen- und Außenwelt des Protagonisten mit ausgefallener Wortjonglage abfährt, wird sich ebenfalls das falsche Buch ausgesucht haben. Dennoch ist und bleibt es eine Geschichte, die rührt, die zum Nachdenken anregt.
Ein absolut empfehlenswertes Buch für jeden, der bereit ist, seinen Horizont zu erweitern. Dabei ist es keinesfalls ein Roman, der nur für Amerikaner spannend ist. Nein, Thomas widmet sich auch Themen, die jeden jungen Leser früher oder später interessieren werden. Fans des Buches dürfen sich dieses Jahr außerdem auf die Leinwandfassung der Geschichte mit Amanda Stenberg in der Hauptrolle freuen.