Als wir im Februar 2020 an einem Wochenende eine Fortbildung zum Thema Gedenkstättenfahrt in Weimar besuchten, hätten wir uns nie träumen lassen, unter welchen Bedingungen zwei Jahre später, im März 2022, mit unserer E-Phase das Projekt starten würde. Corona und die damit verbundenen Auswirkungen – auch die politischen und gesellschaftlichen – und nun auch noch der Krieg in der Ukraine: Das alles war nicht absehbar und hat auch unserer Fahrt seinen Stempel aufgedrückt. Umso glücklicher, dass die Reise gut gelang.
Wozu ein Besuch in einer Gedenkstätte des Holocausts? Weil es der Wunsch unserer Schülerinnen und Schüler war. Und weil es uns Lehrerinnen und Lehrern unabdinglich erscheint. Thema ist der Holocaust im Unterricht in der 10. und 12. Jahrgangsstufe, doch erst die Begegnung mit einem Ort des Geschehens kann die Vergangenheit greifbar machen. So hat sich ein Team gebildet, das unter der breiten Zustimmung und Unterstützung aus dem Kollegium des Max-Planck-Gymnasiums ein Programm erarbeitete.
Das Programm umfasst zunächst eine Vorbereitung im Geschichtsunterricht der E-Phase: Mit digitalisierten originalen Dokumenten aus der Gedenkstätte Buchenwald werden SchülerInnen als HistorikerInnen tätig und lernen Häftlingsbiografien kennen. Bestandteil der Einheit ist auch die Geschichte des ehemaligen Konzentrationslagers.
Zu Beginn des Besuches steht eine Reflexion über das schon gesammelte Wissen zum Holocaust und zu den Erwartungen, die sich in Bezug auf die Erschließung des außerschulischen Lernortes ergeben. Wir beginnen gemeinsam am Eingang des Geländes, also am Tor mit der Aufschrift „Jedem das Seine“ und der konstant auf 37 Grad gehaltenen Gedenkplatte und geben eine Übersicht über das Gelände. Die SchülerInnen erschließen sich anschließend das Gelände mittels der App der Gedenkstätte selbst. Sie besuchen zudem die Dauerausstellung „Buchenwald 1937-1945“. Am Abend stellen sie Bilder vor, die sie zu den drei Kategorien „nachdenklich“, „überrascht“, „merkwürdig“ aufgenommen haben. Hier ergeben sich spannende Gespräche, nachdem die Schülerinnen und Schüler zuvor ihre Gefühlslage nach dem Besuch kundgetan haben und ihre Eindrücke mit den zuvor aufgezeichneten Erwartungen abgeglichen haben. „Schockiert“, „überwältigt“, traurig“, „entsetzt“ sind die Reaktionen und die Erwartungen haben sich nicht immer bestätigt: „Viel größer, als ich dachte“, „weniger erhalten, als ich mir vorgestellt habe“, „emotionaler, als ich erwartet habe“.
Die breite Unterstützung des Kollegiums kommt am Studientag zum Tragen. Kolleginnen und Kollegen aller Fachschaften bieten Module an, in denen der Gedenkstättenbesuch nachbereitet wird. Hier findet sich in diesem Jahr ein buntes Angebot, in das sich unsere Schülerinnen und Schüler einwählen können. Beispiele sind Projekte über „entartete“ Musik, über Bücherverbrennung, Erinnerungskultur in Lyrik und Comics, Geschichtsrevisionismus – ein sehr aktuelles Thema, über die Begegnung von rassistischen Äußerungen im Alltag, neue Wege der Erinnerungskultur oder die Auseinandersetzung mit Filmen zum Thema. Auch Gestalt und Wandel der Gedenkkultur und die Problematik der Erinnerungskultur ohne Zeitzeugen werden thematisiert.
Ein herzliches Dankeschön an das Kollegium, das dieses Projekt mitträgt. Und ein genauso herzliches Dankeschön an unsere Schülerinnen und Schüler, die die ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Thema nicht gescheut haben und die mit großem Interesse gearbeitet haben, die sich empört haben über die Grausamkeit, die aber auch genießen konnten, dass wir endlich einmal wieder auf Klassenfahrt waren.
Nicole Kühn, Tatjana Steinke und Johanna Hyn